"China plant in 100-Jahres-Zielen"

Studium Generale an der DHBW: „In China gibt es viele Geschäftschancen, nutzen Sie sie!“ Diese einfache Wahrheit war eine der Hauptbotschaften beim Studium Generale an der DHBW von Prof. Dr. Dr. Harro von Senger in seinem Vortrag „Chinas zwei 100-Jahres-Ziele: was man als Unternehmer und Manager unbedingt wissen muss“.

In seinem wissenschaftlich fundierten Referat erläuterte der Schweizer Professor im überfüllten Sparkassenforum zunächst Grundlagen über Staat und Führung im Reich der Mitte, bevor er zur Chinesischen „Supraplanung“ überleitete. Schon in der Verfassung sei die alleinige Führungsrolle der Kommunistischen Partei zementiert: „China“, so könne man dort lesen, „ist ein Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes“, vertreten durch die KP. Entsprechend top-down sei der Politikprozess organisiert und nicht demokratisch von unten nach oben.

Folgt man von Senger, so wird China im Westen, vor allem im angloamerikanischen Raum, häufig als Bedrohung gesehen mit dem - unterstellten - Versuch, die USA als globale Supermacht abzulösen. Als Beleg hierfür dienten vor allem die weltweiten wirtschaftlichen Aktivitäten Chinas und Waffenlieferungen in Krisenregionen. Von Senger differenziert, denn man solle zur Kenntnis nehmen, dass die KP für China erst kürzlich in einem Leitartikel versichert habe, „nie andere Länder anzugreifen, sich immer rechtmäßig zu verhalten und mit allen anderen Staaten friedlich koexistieren zu wollen“. Es sei lediglich festgeschrieben, dass China das Ziel verfolge, „umfassende und ausgewogene politische, wirtschaftliche, ökologische, wissenschaftliche, bildungsmäßige und kulturelle sowie die Landesverteidigung betreffende Entwicklung“ zu verwirklichen. Die daraus resultierenden Angstimpulse in westlichen Kulturen seien, so von Senger, nicht nachvollziehbar. Denn, „China hat weder die Absicht, noch die Zeit, an die Stelle der USA zu treten.“

Es sei eben ein falsches Bild, das wir von China haben: die Skylines von Shanghai oder Beijing und der unermessliche Reichtum einiger weniger zeige nicht das wahre Leben. Dieses finde man, wenn man in die Bauerndörfer reise und sich dort umschaue. Der Chinesische Ministerpräsident Li Keqiang habe deshalb erst kürzlich sein Land als das „größte Entwicklungsland der Welt“ bezeichnet. Sich zu einem mittelmäßigen Land zu entwickeln bräuchte mindestens 50 Jahre Zeit, es zu modernisieren, sogar 100 Jahre. Eindrücklich zeigte Professor von Senger auf, dass diese Sichtweise durchaus nachvollziehbar ist. Beim Bruttosozialprodukt liegt China nämlich mit 3.800$ pro Einwohner (2013) auf dem 169. Rang, während Deutschland mit 38.700$ immerhin auf den Rang 28 kommt.

Die Supraplanung: das erste 100-Jahres-Ziel in China sei, so von Senger, ein Wohlstands- und Wohlfühl-Kommunismus: eine Gesellschaft also, die nicht arm und rückständig sei, sondern wohlhabend und an den Bedürfnissen seiner Bürger orientiert. Dies sollte bis zum 100. Geburtstag der Partei 2021 erreicht werden. Das zweite 100-Jahres-Ziel sei es, bis zum 100. Geburtstag der Volksrepublik 2049 das Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt auf das Niveau eines Schwellenlandes zu heben und die Modernisierung im wesentlichen abzuschließen. Die wichtigsten Maßnahmen seien dabei folgende Strategien: die „große Erschließung Westchinas“ seit Januar 2000, die wirtschaftlich sichtbare „go global-Strategie“, das „Made in China 2025“ und die Strategie der Entwicklung einer neuen „Seidenstraße: ein Wirtschaftsgürtel - eine Straße“. Hierfür gäbe es exakte, bis ins letzte Detail definierte und immer wieder aktualisierte Fünf-Jahrespläne.

Was könne man jetzt als Manager und Unternehmer lernen? Das wichtigste sei, dass man einfach lese, was China veröffentliche. Offizielle Planungsdokumente seien eine Fundgrube für Geschäftschancen in China. Für kurzfristige Geschäfte sei man aber in China nicht zu haben, man brauche einen langen Atem.

Viele Fragen in der anschließenden Diskussion kreisten um die Einschätzung des Experten, was China wirklich vorhabe, schließlich sei „Papier geduldig“. Durch die schiere Größe fühle man sich unsicher und habe Angst, wirtschaftlich und militärisch an die Wand gedrückt zu werden. Von Senger versuchte zu beruhigen. China sei kein aggressiver Moloch, sondern kümmere sich nur um die innere Entwicklung des eigenen Landes und hätte weder Lust, noch Zeit, sich um expansive Machtpolitik zu kümmern. Die aus westlicher Sicht wenig eingehaltenen Menschenrechte seien aus Chinesischer Sicht lediglich vorübergehend hinzunehmende Widersprüche zum kommunistischen Endziel.

Das Studium Generale setzt seinen China-Schwerpunkt am 19. Mai 2015 mit dem ehemaligen Prognos-Chef Kai Gramke und dem Thema „China und Deutschland - Partner oder Konkurrenten?“ fort. Im September ist an der DHBW zusammen mit dem China Forum Basel und dem China Forum Freiburg ein Event mit dem Gesandten der V.R. China in Berlin, Xiaosi Li, geplant.