Industrie 4.0: Aber sicher!

DHBW Lörrach setzt mit dem Thema „Funktionale Sicherheit“ neuen Kompetenzschwerpunkt

Die Wirtschaft steht derzeit an der Schwelle zur vierten industrielle Revolution. Getrieben durch das Internet, wachsen reale und virtuelle Welt immer mehr zu einem Internet der Dinge zusammen. Die Zukunft der Produktion ist gekennzeichnet durch ein hohes Maß an Individualisierung der Produkte bei gleichzeitiger Flexibilisierung der Produktion. Unternehmen werden Kunden und Geschäftspartner verstärkt direkt in ihre Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse einbinden und die eigentliche Produktion mit hochwertigen Dienstleistungen verbinden.

In der Diskussion um Industrie 4.0 wird jedoch der Sicherheitsaspekt noch immer stark unterschätzt. Vor allem in Unternehmen des Mittelstands ist die Befürchtung groß, dass Daten bei Industrie 4.0 nicht sicher sind und somit unternehmerisches Wissen und Geschäftsgeheimnisse für die Konkurrenz offen liegen könnten. Zudem stellt sich gerade bei einer vernetzten Produktion vermehrt die Frage, wie sicher Systeme und Anlagen selbst sind.

Genau an diesem Punkt setzte ein Workshop der DHBW Lörrach an, bei dem Anfang Dezember Experten aus Wissenschaft und Praxis gemeinsam über das Thema „Funktionale Sicherheit“ diskutierten. Wie aktuell und brisant dieses Thema ist, zeigten auch die Schlagzeilen über den Hackerangriff, der kurz vorher in allen Medien präsent war. Professor Dr. Theodor Sproll, Rektor der DHBW Lörrach, konnte daher auch mehr als 40 Unternehmensvertreter im Georg H. Endress Auditorium auf dem Hochschul-Campus begrüßen.

Professor Dr.-Ing. habil. Josef Börcsök von der Universität Kassel ist einer der renommiertesten Experten auf dem Gebiet der Funktionalen Sicherheit. Er überzeugte alle Zuhörer davon, dass Funktionale Sicherheit schon längst den Alltag erreicht hat. „Was zunächst sehr abstrakt klingt, durchdringt mittlerweile viele Bereiche unseres täglichen Lebens“, so Josef Börcsök. Betroffen von Fragen der funktionalen Sicherheit seien Kaffeevollautomaten genauso, wie medizinische Geräte oder Gesamtsysteme in Autos, Fabrikhallen und Lieferketten. „Selbstverständlich sind auch Industrie 4.0, autonomes Fahren oder das „smart home“ untrennbar mit dem Thema Sicherheit verknüpft“, so der Experte weiter. Elektronische und insbesondere programmierbare Systeme werden immer komplexer, wodurch auch die Vielfalt der Fehlermöglichkeiten steigt. Der Ausfall eben dieser Systeme kann zu gravierenden Problemen und Unfällen führen. Es gibt Normen, die diverse Methoden zur Vermeidung systematischer Fehler, zur Überwachung im laufenden Betrieb, zur Erkennung von zufälligen Fehlern und zur sicheren Beherrschung von erkannten Fehlern vorsehen. In dem Vortrag von Josef Börcsök ging es darum, wie Sicherheit berechnet oder vorhergesagt werden kann und ob eine Validation oder Zertifizierung der Sicherheit von Systemen im Bereich Industrie 4.0 nach internationalen Standards nötig ist.

In der anschließenden Diskussion, bei der sich viele der Teilnehmer aktiv beteiligten, wurde die Brisanz des Themas durch zahlreiche Beispiele sehr konkret. So sahen viele der anwesenden Unternehmensvertreter einen enormen Handlungsdruck, insbesondere im Kontext der fortschreitenden Digitalisierung. Sie stellten fest, dass Industrie 4.0 nicht mehr aus der zukünftigen Planung von Systemen wegzudenken sei. Für Systeme des Internets der Dinge und insbesondere in der industriellen Automatisierungstechnik seien aber mehr Anforderungen vorhanden, als auf den ersten Blick ersichtlich ist, gerade auch im Bereich der Funktionalen Sicherheit. Für diese Herausforderungen sei allerdings auch qualifiziertes Personal vonnöten, das in diesem Gebiet aktuell aber noch fehlt.

Professor Dr.-Ing. Ossmane Krini von der DHBW Lörrach stellte abschließend vor, welche Lehrangebote im Bereich Funktionale Sicherheit bereits jetzt im Studiengang Elektrotechnik der Lörracher Hochschule angeboten werden. Diese fanden bei den Vertretern der Unternehmen großen Zuspruch, verbunden mit der Aufforderung das Thema auch auf andere Studiengänge auszudehnen und zu prüfen, ob ein eigenständiger Bachelor-Studiengang „Funktionale Sicherheit“ an der DHBW Lörrach etabliert werden kann. Professor Dr. Jörg Thietke, Dekan der Technik an der DHBW in Lörrach, der die Diskussion leitete, sah dies dann auch als einen Arbeitsauftrag an.  

In Zukunft werden die eingeladenen Experten öfters in Lörrach zu hören und zu sehen sein – neben Lehrveranstaltungen sind auch weitere Workshops für Partnerunternehmen angedacht.